Auch dem Afrikareisenden, Forscher und Arzt Gustav Nachtigal (1834-1885) wurde 1935 die Ehre einer Straßenbenennung im Nippeser „Afrikaviertel“ zuteil.
Gustav Nachtigal wurde am 23. Februar 1834 in Eichstedt bei Stendal in der Altmark (Sachsen-Anhalt) geboren. Er studierte Medizin mit besonderem Interesse an der Augenheilkunde. Nach Afrika kam er im Jahre 1862 – eigentlich im Rahmen einer Genesungsreise. Doch anstatt sich zu erholen und nach Deutschland zurückzukehren, wurde er zunächst Leibarzt des Bey von Tunis, entwickelte sich zum Reisenden und Entdecker und schließlich zum Eroberer.
Berühmt wurde Nachtigal vor allem aufgrund seines ersten Afrikaaufenthaltes von 1862 bis 1875. Nachdem er einige Jahre in Algerien und Tunesien verbracht hatte, brach er 1869 zu seiner großen Reise auf, aus der das dreibändige Werk „Sahara und Sudan“ hervorgehen sollte. Nachtigal reiste von Libyen über Nigeria, Tschad und Sudan nach Ägypten.
Er erforschte und dokumentierte dabei große Teile der Sahara und des Sudans. Besonders verdient machte er sich seinerzeit durch seine Studien im Tibesti, einem bis dahin undokumentierten Gebirge in der mittleren Sahara.
Preis sei Gott und Huldigung dem Gottgesandten!
Vom Knechte des hochgelobten Gottes, ‛Omar, dem Sohne des Mohammed el-Emîn el-Kânemî, an Seine Majestät, unsern durchlauchtigsten, edeln, ruhmreichen, mächtigen, glückseligen, mit allen schönen und gottgefälligen Eigenschaften geschmückten Freund, den Sultan Mohammed ‛Alî, Sohn des edeln und berühmten Sultans Mohammed es-Sarîf. — Gruss und Huldigung und Ehrerbietung und Anwünschung göttlichen Segens und langen Lebens! Die Veranlassung zu diesem unsern Schreiben an Euch ist, dass wir in Betreff des christlichen Schutzbefohlenen Idrîs Efendi, welcher auf der Rückkehr nach seiner Heimat Deutschland zu Euch kommen wird, von Euerer Regierung erbitten, derselbe möge unter dem Schutze Eueres ruhmreichen Namens wohlbehalten, sicher und ohne Gefährde und Belästigung nach Fûr gelangen. Derselbe kam zu uns auf Grund der Zusage unsers Schutzes und unserer Gnade, und es ist eins der Fundamentalgebote unserer heiligen Religion, dem Schützling Wort zu halten; ja die alten Lehrer des göttlichen Gesetzes haben sogar gesagt, dass die Vergewaltigung des Schützlings sündhafter sei als die des Muselmans, weil jener hülflos ist in den Ländern des Islam. Dies ist, was wir von Euerer Güte beanspruchen und für dessen Gewährung unsere hohe Meinung von Euch uns bürgt. Der hochgelobte Gott sei mit uns allen! Lebt wohl!
Geschrieben Donnerstags vor Mittag am ersten Tage des heiligen Monats der Pilgerfahrt des Jahres 1289.
1875 kehrte Nachtigal nach Deutschland zurück. Er wurde in Berlin Präsident der „Deutschen Afrikanischen Gesellschaft“ und Vorsitzender der „Gesellschaft für Erdkunde“.
Während Nachtigals erster Afrikaaufenthalt mehrere Bücher füllt und seine Briefe und Tagebücher aus der Zeit ausgewertet wurden, ist über seinen zweiten Afrikaaufenthalt von 1882 bis 1885 sehr viel weniger bekannt. Ab 1882 war Nachtigal als Deutscher Generalkonsul in Tunis tätig. Um Staatsakte in den Kolonien ausführen zu können, wurde Nachtigal 1884 zum Reichskommissar für Westafrika ernannt und seitdem in die Kolonialpolitik miteinbezogen. Auf dem Kriegsschiff „Möwe“ machte er sich auf den Weg. Nachtigal wusste um die Gefahren einer Seereise in tropische Gebiete und nahm dennoch die Aufgabe an, möglicherweise um weiter durch Afrika reisen zu können.
1884, im Jahr vor seinem Tod, schloss er im Auftrage des Deutschen Reiches in Togo und Kamerun „Schutzverträge“ ab und erklärte die Gebiete so zu deutschen Kolonien. Nachtigal beglaubigte zudem in Deutsch-Südwest (heutiges Namibia), das kurz zuvor unter Reichsschutz gestellt worden war, die durch den Kaufmann Franz Adolf Eduard Lüderitz unrechtmäßig erworbenen Landrechte und schloss „Schutz- und Freundschaftsverträge“.
Nachdem er seine Aufgaben für das Kaiserreich erfüllt hatte, wollte er eine Forschungsfahrt zur Nigermündung unternehmen, musste aber aufgrund seines Gesundheitszustandes die Heimreise antreten. Nachtigal verstarb am 20. April 1885 an Bord der „Möwe“ vor der Guineaküste am Malariafieber. Er wurde zunächst auf Kap Palmas (Liberia) beerdigt und 1888 nach Duala (Kamerun) überführt, wo am ehemaligen Regierungsgebäude ein Denkmal für ihn errichtet wurde.
Das 1891 in seiner Heimatstadt Stendal errichtete Denkmal ist nach der Gründung der DDR entfernt worden, aber im Jahr 2004 wurde ein Gedenkstein für ihn in Eichstedt bei Stendal aufgestellt.
Auffallend ist Nachtigals Entwicklung vom Afrikaforscher zum zweifelhaften „Kolonialhelden“. Während seiner Afrikareisen waren Nachtigal die Angelegenheiten der Afrikaner oft wichtiger als die seinen. Er reiste offenbar gewaltfrei und begegnete der lokalen Bevölkerung nicht mit Hochmut. Im Gegensatz zum Zeitgeist versuchte er, sich nicht von Vorurteilen beeinflussen zu lassen und gerecht zu berichten.
Auch sein Verhalten während der Kolonialzeit kann man nicht mit dem von Carl Peters gleichsetzten. Dennoch nahm Nachtigal den Auftrag Bismarcks an und annektierte Kolonien für das Deutsche Kaiserreich. Selbst wenn dies durch Diplomatie und nicht durch Gewalt geschah, bleibt es ein für die Bevölkerung folgenschweres Ereignis. Nachtigal wurde nicht zu dieser Aufgabe gezwungen, er hatte die freie Wahl, die Nachfrage Bismarcks abzulehnen. Doch so machte er sich zum Komplizen der deutschen kolonialen Kreise bei der Aneignung der „Schutzgebiete“.
Köln war für Nachtigal zeit seines Lebens ein wichtiger Bezugspunkt, da er einen großen Verwandtenkreis in der Stadt hatte. Dazu gehörten vor allem sein geliebter Onkel Dietrich Nachtigal und dessen Frau, die er 1850 zum ersten Mal besucht.
Zwischen 1858 und 1861 war Nachtigal Militärarzt in Köln. Nachdem bei ihm Lungentuberkulose diagnostiziert wurde, musste er diese Tätigkeit aufgeben und er ging auf Empfehlung seines Arztes nach Afrika, um im dortigen Klima die Krankheit besser bekämpfen zu können. Nachtigals Onkel finanzierte ihm die Reise, den Unterhalt in der ersten Zeit in Afrika und stellte ihm einen Freund aus Algerien zur Seite, damit er sich einleben konnte.
Es gibt zahlreiche Briefe, die einen regen Austausch zwischen Gustav und Dietrich Nachtigal dokumentieren. Durch die Briefe und auch durch Nachtigals Tagebücher wird deutlich, wie sehr er seinen Onkel und auch seine Tante verehrte und für ihre Unterstützung dankbar war. Nachtigals Leben hätte sich vermutlich anders entwickelt, wenn sein Onkel in Köln nicht gewesen wäre. Möglicherweise hätte er seine Genesungsreise nicht finanzieren können und wäre niemals nach Afrika gelangt.